Am Freitag, 18.10.2024 fand das diesjährige Konsortialtreffen aller beteiligten Projektpartner des IW3 Projekts statt. Mit dabei waren rund 30 Vertreterinnen und Vertreter der Hamburger Energiewerke, der Hamburg Energie Geothermie (HEGeo) GmbH, von CONSULAQUA, des Hamburg Institut Research gGmbH (HIR), der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), die sich gegenseitig auf den aktuellen Stand ihrer Aktivitäten rund um das Reallabor brachten. Auch unsere technischen und kaufmännischen Ansprechpartner vom Projektträger Jülich, der das vom BMWK geförderte Projekt begleiten, hatten sich auf den Weg nach Hamburg gemacht und sich über den Projektfortschritt zu informieren.
Thomas Tim Sävecke, Prokurist der Hamburg Energie Geothermie GmbH brachte es auf den Punkt: „IW3 ist ein echtes Leuchtturm-Projekt. Wir alle können stolz darauf sein, gemeinsam an einem Reallabor zu arbeiten, das sich aktuell schon in der finalen Phase der Realisierung befindet und eine neue Perspektive für dezentrale Wärmeversorgungen in Norddeutschland aufzeigt“.
Immer wieder ging es während der Vorträge um die Übertragbarkeit auf andere Projekte. Projektleiter Frank Boehnke machte deutlich: „Im Hinblick auf die Reproduzierbarkeit stellt sich die Änderung auf mitteltiefe Geothermie in Kombination mit einer effizienten Wärmepumpe als ein großer Vorteil dar.“ Ähnliche geologische Gegebenheiten finden sich in Deutschland vielfach, daher könne die aus dem Projekt gewonnene Erfahrung in Folgeprojekte übertragen werden. Sein Kollege Thomas Havran von den Hamburger Energiewerken legte dar, wie das Geothermie-Projekt künftig in das bestehende Wärmenetz rund um den Wilhelmsburger Energiebunker integriert werden könne. Dazu bald mehr hier auf unserem Projektblog.
Rund 100 Menschen sind insgesamt daran beteiligt, das Geothermie-Projekt in Wilhelmsburg umzusetzen. Nie sind alle gleichzeitig tätig, aber an unterschiedlichen Einsatzorten gibt es zu unterschiedlichen Zeiten etwas zu tun. Während die Vorbereitungen für den Bau der Anlage und des Heizhauses an der Geothermie-Förderstelle laufen, gibt es in der unmittelbaren Umgebung ebenfalls einige Baustellen. Um die Geothermische Heizzentrale mit dem Energiebunker zu verbinden, wird eine größere Fernwärmeleitung gebaut, welche die gewonnene Wärme transportiert und von dort an die Haushalte verteilt. Wir freuen uns, dass der erste Bauabschnitt nun abgeschlossen wurde. In diesen Zug möchten wir hier auch einige Beteiligte vorstellen, die sich für unser Geothermie-Projekt engagieren.
Einer, der den Bau der großen Versorgungsleitungen in Wilhelmsburg von Anfang an mitgestaltet, ist Manfred Fink. Der erfahrene Ingenieur ist seit 1990 in der Hamburger Energiewelt aktiv und stieß 2017 nach vielen Jahren im Anlagenbau zu den Hamburger Energiewerken. Der Leitungsbau in Wilhelmsburg ist es für den 66Jährigen mehr als ein Job: Mindestens bis zur Finalisierung des Leitungsbauprojekts in 2025 wird er dem Projekt erhalten bleiben – schließlich bildet dieses „sowas wie den krönenden Abschluss meiner Laufbahn“, wie er selbst sagt.
Herausforderungen des Leitungsbaus
Die großen Versorgungsleitungen sind die Lebensadern der Wärmeversorgung. Wo sie enden, übernehmen kleinere Verteilungsleitungen – ein System, das an die Struktur eines Baumes erinnert, mit großen Ästen und kleinen Zweigen. „Dabei gilt, je größer die Leitung, desto mehr Platz wird benötigt. „Wir müssen uns den Platz im Straßenverlauf mit den Sielen, Gas-, Wasser- und Stromleitungen und den Straßenbäumen teilen. Wilhelmsburg ist eine Insel und hat für die Buslinien nur wenig Ausweichstrecken. „Dass die Einsatzplanung der Hochbahn, die für die Busse und Ausweichrouten zuständig ist, dabei so kompromissbereit ist, erleichtert uns die Arbeit sehr, erklärt Manfred Fink. Die damit einhergehende logistische Meisterleistung braucht ihre Zeit: Für 100 Meter können rund acht Wochen vergehen.
Auf der Baustelle arbeitet ein Team aus Bauüberwacherin, Polier und Bauleiter der Tiefbau- und Rohrleitungsfirmen daran, die verschiedenen Gewerke zu steuern und die Arbeiten voranzubringen. Dazu gehört der Tiefbau, der Rohrleitungsbau und der Straßenbau, der die Fahrbahn nach dem Verlegen der Rohrleitung wieder herstellt. Dazu kommt ein Unternehmen, das die Schweißstellen der miteinander verbundenen Rohre isoliert. Eine weitere Firma überprüft die Schweißnähte der Leitungen. Ein Unternehmen übernimmt die Verkehrslenkung und ein Sicherheitsingenieur kontrolliert die Baustelle regelmäßig, ob alle Sicherheitsvorschriften eingehalten werden. Und dann gibt es natürlich noch die Abstimmung mit der Polizei und die Straßensperrungen und jede Menge Genehmigungen, die eingeholt werden müssen. „Mein Kollege Sören Schillerwein unterstützt und vertritt mich seit Kurzem in diesem Projekt“, so Fink. Schillerwein sitzt im Container-Büro direkt gegenüber und spricht sich eng mit ihm ab. „Last but not least helfen uns außerdem die Teamkolleginnen und -kollegen im Innendienst“, sagt Fink.
Ein Arbeitsalltag voller Herausforderungen
Auch Schillerwein ist die Begeisterung für seine Tätigkeit anzumerken: „Jeder Tag ist aufs Neue spannend, ganz besonders in Wilhelmsburg“: Die Elbinsel ist vor rund 350 Jahren aus sieben kleinen Inseln entstanden, zwischen denen zur Landgewinnung Sand und Erde aufgeschüttet wurde. Daher gibt es viele Entwässerungsgräben und einen hohen Grundwasserspiegel. Für den Bau der Fernwärmeleitung zwischen Geothermischer Heizzentrale und Energiebunker muss ein Kanal gequert und außerdem ein Gleis der Hafenbahn unterquert werden. Zudem stellen die vielen Bomben, die im zweiten Weltkrieg über dem Stadtteil abgeworfen wurden, eine Herausforderung dar. Bei allen Ausschachtungen ist immer ein Feuerwerker dabei, der aufpasst, ob bei den Arbeiten vielleicht ein Blindgänger zu Tage tritt.
„Die Verbindung der Geothermischen Heizzentrale mit dem Energiebunker ist ein entscheidender Schritt, um den CO2-Fußabdruck der Wärmeversorgung in Wilhelmsburg entscheidend zu verringern. Das konstant hohe Temperaturniveau des Thermalwassers macht es zu einer attraktiven und zuverlässigen Energiequelle“, freut sich Manfred Fink. Mit dem Abschluss des ersten Bauabschnitts blickt er optimistisch in die Zukunft. Und wir berichten hier, wie es weiter geht.
Während der Bau der Leitungen, die unseren Geothermie-Standort mit dem Wilhelmsburger Energiebunker verbinden, weiter voranschreitet, wird auch dem oft als „Öko-Kraftwerk“ bezeichneten Gebäude selbst immer mehr Anerkennung zuteil. Seit dem 23.3.2024 ist der ehemalige Flak-Bunker, in dem sich die Energiezentrale des Wärmenetz Wilhelmsburg befindet, sogar im Vitra Design Museum im Schweizer Weil am Rhein zu bewundern. Das Museum zählt zu den führenden Designmuseen weltweit. Es erforscht und vermittelt die Geschichte und Gegenwart des Designs und setzt diese in Beziehung zu Architektur, Kunst und Alltagskultur. Die Ausstellung „Transform! Design und die Zukunft der Energie“ widmet sich der Transformation des Energiesektors aus der Designperspektive: Vom Alltagsprodukt für die Nutzung erneuerbarer Energien bis zur Gestaltung von Solarhäusern und Windkraftanlagen, vom intelligenten Mobilitätskonzept bis zur Zukunftsvision energieautarker Städte.
Der Bunker, in dem unterschiedliche Formen Erneuerbarer Energieerzeugung zusammenkommen, ist dem Bereich «Future Energyscapes» zugeordnet. Dieser zeigt besonders innovative Ansätze und Visionen künftiger Energielandschaften. Wir freuen uns sehr über diese Möglichkeit, so hoffentlich auch noch mehr Menschen für das IW3 -Projekt begeistern zu können. Die Ausstellung läuft bis zum 1.9.2024.
Darüber, welche aktuellen Entwicklungen es im Wilhelmsburger Geothermie-Projekt gibt, referiert der Projektmanager Forschung, Dr. Carsten Hansen, am 1. März 2024 bei der Geotherm Expo & Congress in Offenburg. Dort findet in diesem Jahr bereits zum 17. Mal Europas größte Geothermie-Fachmesse mit Kongress statt. Die Veranstaltung greift die aktuelle Entwicklung der Branche auf und schafft eine Plattform, die sich ausschließlich dem Thema Geothermie widmet. Knapp 5000 Fachbesucher sowie rund 160 Aussteller aus 40 Nationen werden erwartet. Schließlich gewinnt das Thema Geothermie immer mehr an Bedeutung: Dem Bundesverband Geothermie zufolge gibt es in Deutschland 43 geothermische Anlagen mit einer Bohrtiefe von mehr als 400 Metern. Langfristig könnten mit Tiefer Geothermie rund 300 TWh Energie bereitgestellt werden. Die geothermische Energieform ist grundlastfähig und steht damit jederzeit wetterunabhängig zur Verfügung. Entsprechend hoch ist aktuell der Bedarf an Austausch, Vernetzung und Zusammenarbeit in der Branche, um gemeinsam einen Beitrag zu leisten.
Noch liegt der Bohrplatz im Winterschlaf, doch der Eindruck täuscht: Unsere Expertinnen und Experten arbeiten unermüdlich daran, dass es in Kürze weitergeht. Als nächstes stehen der Einbau der Filterrohre und der Fördertest an. Danach können wir erstmals verlässlich sagen, mit welcher geothermischen Wärmeleistung wir in Wilhelmsburg rechnen können. Aber wie genau funktioniert dieser Fördertest?
Einbau der Filterrohre
Im März wird zunächst ein sogenanntes Workover Rig auf dem Bohrplatz aufgestellt. Man kann sich das wie eine kleinere, mobile Bohranlage vorstellen. Damit werden wir die spätere Förderbohrung erneut befahren und von losem Gesteinsmaterial befreien, das sich eventuell am Boden der Bohrung angesammelt haben könnte. Denn Rohre wurden nur bis zum obersten Bereich unseres geothermischen Reservoirs eingebaut. In das Reservoir – also den Bereich, wo die Sandsteinschicht am durchlässigsten ist – werden anschließend die Filterrohre eingebaut.
Hierbei handelt es sich um Rohre aus besonders korrosionsresistentem Stahl, die sehr dünne, horizontale Schlitze aufweisen. Diese Schlitze ermöglichen dem Thermalwasser in das Rohr einzuströmen, während Sandsteinpartikel zurückgehalten werden. Um die Filterrohre baut sich ein natürlicher Filterkuchen aus Sand auf.
Die Filterrohre wurden speziell für unser geothermisches Reservoir gefertigt. Da es sich hier also nicht um standardisiertes Equipment handelt, haben diese Komponenten mitunter lange Lieferzeiten. Nach dem Einbau der Filterrohre wird das Workover Rig wieder abgebaut.
In das verrohrte Bohrloch wird dann mithilfe von Kränen eine Thermalwasserförderpumpe eingebracht. Diese Pumpe – konkret eine Tauchkreiselpumpe – muss immer im Wasser hängen und wird deswegen auf einer Tiefe von circa 500 Metern befestigt. Der Wasserspiegel in der Bohrung liegt im Ruhezustand, wenn kein Thermalwasser gefördert wird, bei circa 60 Metern unter der Geländeoberfläche.
Nach dem Einbau der Filterrohre und der Thermalwasserförderpumpe erfolgt der eigentliche Fördertest: Aus der Produktionsbohrung wird das Thermalwasser stufenweise mit verschiedenen Förderraten nach oben gefördert, um sukzessive die Förderrate für den späteren Betrieb zu ermitteln. Diese Testarbeiten werden rund eine Woche dauern. Danach können wir sowohl die optimale Förderrate definieren als auch die genaue Temperatur des Thermalwassers. Anschließend simulieren wir den Betrieb einer künftigen Geothermie-Anlage mit dem sogenannten Zirkulationstest: Wir fördern Thermalwasser aus der Förderbohrung und leiten es über die Injektionsbohrung wieder zurück in den Untergrund, aus dem es kommt. Dafür wird das Thermalwasser obertägig erneut durch ein zusätzliches Filtersystem geleitet, in dem auch feinste Partikel aus dem Thermalwasser gefiltert werden. Damit stellen wir sicher, dass sich die Injektionsbohrung nicht durch Einlagerung von Feinmaterial nach und nach zusetzt.
Funktioniert alles wie geplant, ist nach dem Abschluss der Tests ein wichtiger Meilenstein erreicht und wir können die klimafreundliche Wärmeversorgung in Wilhelmsburg ganz detailliert ausrichten. Mit der dann noch ausstehenden finalen Investitionsentscheidung gibt es auch den Startschuss für den Bau des Heizhauses.
Mit der zweiten Bohrung haben wir mittlerweile erfolgreich die vertikale Endtiefe von rund 1.460 Metern erreicht – damit sind die Bohrarbeiten in Wilhelmsburg abgeschlossen. Die ersten Container werden bereits vom Bohrplatz abtransportiert und auch der Bohrturm wird in den nächsten Wochen vollständig abgebaut.
Für die zukünftigen Fördertests reicht der Aufbau einer kleineren Anlage über den Bohrlöchern.
Erneut Bohrkerne gezogen
Nachdem wir mit der zweiten Bohrung den oberen Bereich der aussichtsreichen Sandsteinschicht erreicht hatten, konnten wir erfolgreich Rohre einbauen. Anschließend haben wir – wie bereits bei der ersten Bohrung – mehrere Gesteinsproben, also Bohrkerne, gezogen.
Die Bohrkerne werden nun im Labor gereinigt und weitergehend untersucht. Hierbei sind insbesondere die Porosität und Durchlässigkeit wichtige Parameter. So können wir weitere Informationen über unser Zielreservoir sammeln, die wir benötigen, um das geothermische Potenzial am Standort in Wilhelmsburg zu bewerten. Dabei helfen auch die Daten, die wir aus den Bohrloch-Messungen gesammelt haben.
Auf dem Bild ist zu sehen, wie der Bohrkern über die Rampe von der Bohranlage nach unten transportiert wird. Danach wird der Kern aus den Rohren befreit, fachmännisch markiert und in Meterstücke zersägt und mit genauen Tiefenangaben versehen in Kernkisten verschlossen und ins Labor geliefert.
Hier sieht man einen Bohrkern aus unserem geothermischen Zielreservoir!
Die grünliche Färbung rührt von dem Tonmineral „Glaukonit“ her, das in den Sandsteinen vorkommt.
Mit der zweiten Bohrung geht es gut voran: Wir sind bereits weit in den Gesteinsschichten des Tertiärs vorangekommen. Momentan werden Rohre eingebaut und zementiert. Wenn dieser Schritt abgeschlossen ist, werden wir unser Zielreservoir erneut durchbohren und untersuchen.
Die zweite Bohrung ist die Produktions- oder Förderbohrung: Sollte die Sandsteinschicht geothermisch nutzbar sein, soll darüber später das warme Thermalwasser gefördert werden.
Während die erste Bohrung bereits bei 1.300 Meter Tiefe die Sandsteinschicht erreichte, liegt das Zielreservoir bei der zweiten Bohrung etwas tiefer.
Rohre auf dem Bohrplatz: bereit für den Einsatz
Beide Bohrungen wurden nach einigen hundert Metern in einem Winkel von 45 Grad abgelenkt und liegen daher im Reservoir räumlich mehr als 1.000 Meter auseinander. Durch diese Distanz wird verhindert, dass das Thermalwasser, das abgekühlt in den Untergrund zurückgeleitet wird, über die Förderbohrung direkt wieder nach oben gepumpt wird (ein sogenannter hydraulischer Kurzschluss).
Stattdessen kann sich das abgekühlte Wasser erneut erwärmen, während es über mehr als einen Kilometer Strecke wieder auf die Förderbohrung zuströmt.